"Während des ADRT erwarte ich Streit und Kontroversen, aber um eine Beitragserhöhung werden wir nicht herumkommen."

Der Deutsche Rugby-Verband (DRV) steckt zum wiederholten Mal in einer finanziellen Schieflage. Daher ist für Sonnabend (18. Juli, zwölf Uhr) ein Außerordentlicher Deutscher Rugby-Tag (ADRT) anberaumt. Einziger inhaltlicher Top auf der Agenda im hessichen Heusenstamm: "Zukunftssicherung des Verbandes durch Erhöhung der Mitgliedsbeiträge". Im Vorfeld des ADRT äußert sich der 1. Vorsitzende des Hamburger Rugby-Verbandes (HHRV), Nils Zurawski (Foto), in einem Interview zu seinen Erwartungen an den ADRT, einem Zwei-Stufen-Plan, der mangelnden Informationspolitik und fehlenden Konzepten des DRV, den Risiken für den Rugbysport in der Hansestadt durch eine höhere finanzielle Belastung der Vereine sowie über die vielen Stunden der Vorbereitung auf den ADRT 2020.

Hamburger Rugby-Verband (HHRV): Der ADRT 2020 steht am Wochenende vor der Tür. Wie sieht deine Vorbereitung als Vorsitzender des Hamburger Rugby-Verbandes für diese Veranstaltung aus?

 

Nils Zurawski: In den vergangenen Wochen und Tagen geht es bei mir hoch her. Ich bin täglich am Telefon, schreibe E-Mails, chatte und bin wieder am Telefon. Dabei führe ich viele Gespräche mit anderen Landesverbänden wie Berlin und Niedersachsen. Zudem nehme ich an Diskussionen der LV-Vertretung sowie mit dem Präsidium und dem Vorstand des Deutschen Rugby-Verbandes teil. Die aktuelle Lage ist dabei schwierig, weil einige DRV-Vertreter*innen eine für mich nicht erkennbar gute Informationspolitik führen - vieles kommt nur scheibchenweise, vieles bleibt aber auch gänzlich ungesagt. Das ist vielleicht aus der Sicht des DRV notwendig, im Gesamtbild für die Landesverbände aber unerfreulich und unbefriedigend und meiner Meinung nach in der aktuellen Lage auch nicht gut.

 

HHRV: Nils, du warst im Februar dieses Jahres als Verfasser eines offenen Briefes im Namen der Hamburger Rugbys maßgeblich an den Diskussionen um die geplanten Beitragserhöhungen im Vorfeld des ADRT beteiligt. Hat sich etwas an deiner damaligen Auffassung zu heute verändert?

 

Zurawski: Nein. Allerdings bin ich kompromissbereiter als es in dem Brief rüberkommt. Der DRV muss gerettet werden, keine Frage. Auch wenn manche Vereine wenig von ihm direkt haben, ist im deutschen Sportsystem ein Dachverband nötig, um auf Landesebene die Anerkennung für finanzielle Zuwendungen zu erhalten. Aber dennoch gilt: Ohne Konzept, kein Geld! Schon gar nicht langfristig. Ich warte immer noch auf Ideen für einen DRV der Zukunft - jenseits der jetzt notwendigen Rettung. Das jetzige Präsidium kann wenig für die aktuelle Lage und versucht, ein Problem zu lösen, das schwierig ist. Leider sind manche aber taub auf den Ohren und beratungsresistent. DRV-Präsident Hees hat nicht verstanden, dass die Vereine skeptisch sind und nicht einfach mal so Geld geben können. Die Fixierung auf die Nationalmannschaften, die wichtig sind, um vom Weltverband World Rugby und dem kontinentalen Verband Rugby Europe Gelder zu erhalten, sind vollkommen irrelevant für die Vereine. Allerdings haben viele Klubs auch Wild zugejubelt und wollten zur Weltmeisterschaften 2019 fahren, sind also an der Misere mit Schuld, da nur wenige bei den vergangenen Deutschen Rugby-Tagen aufgestanden sind und dagegengehalten haben.

 

HHRV: Welche Position zu den geplanten Beitragserhöhungen beziehst du als Vorsitzender des HHRV bei der Diskussion sowie bei der Abstimmung während des ADRT ?

 

Zurawski: Wir werden um eine Beitragserhöhung nicht herumkommen, da die Eigenkapitalquote des DRV derzeit etwa zehn Prozent zu niedrig ist. Das merkt auch das BMI seit Jahren an. Der DRV müsste meiner Meinung nach Konzepte vorstellen, die auch für die Vereine wieder attraktiv sind, Aus- und Weiterbildung ausbauen, Unterstützung anbieten, damit zumindest ein ideeller Gegenwert für das Geld mittelfristig sichtbar wird. Ich befürworte einen Zwei-Stufen-Plan: Jetzt eine finanzielle Rettung des DRV ermöglichen, dann mit ordentlichen Konzepten, klaren und transparenten Informationen über Sponsoren und weiteren Geldgebern und Geldquellem eine tragfähige und ausgewogene Erhöhung verabschieden. Um diese Erhöhung werden wir nicht herumkommen. Diese weitere finanzielle Belastung für Landesverbände und Vereine muss aber für einen Deutschen Rugby-Tag gut vorbereitet werden - und nicht quasi per Zuruf, wie das jetzt alles passiert. Der Antrag aus München zum ADRT könnte dafür eine Vorlage ein.

 

HHRV: Sind mit einer möglichen Beitragserhöhung die Sorgen und Nöte des deutschen Rugbys behoben?

 

Zurawski: Nein. Denn ich sehe keine Idee für die Zukunft jenseits der Nationalmannschaften, besonders bei allen Bereichen jenseits des 7er-Programms. Es gibt viele Baustellen, fast zu viele. Der Schlüssel sind die Mitgliederzahlen. Die allerdings könnten nur durch die Vereine, flankiert von den Landesverbänden und dem DRV, erhöht werden. Da bedarf es eines Plans, einer Idee oder meinetwegen auch einer Vision. 30.000 Mitglieder bis 2030 - und unsere Probleme werden andere sein, bessere, nicht die Überlebensprobleme von heute. Dazu aber müsste viel passieren. Auf allen Ebenen.

 

HHRV: Welche Auswirkungen hätten die Beitragserhöhungen für den Rugbyport in Hamburg?

 

Zurawski: Das ist eine schwierige Frage. HSV, Exiles und die Eimsbüttler Koalas könnten eine Erhöhung eventuell nur schwer tragen. Der FC St. Pauli könnte auch mehr Euro stemmen. Geld, was dann aber an wichtigen Stellen fehlen würden, ohne dass die Abteilung aber in ihrer Existenz gefährdet wäre. Der HRC liegt so dazwischen. Ich denke wir sind in Hamburg momentan gut aufgestellt, arbeiten gut zusammen und wollen etwas auf und neben dem Rugbyfeld schaffen und erreichen. Die Beitragerhöhungen wären ärgerlich, wenn wohl auch nicht vermeidbar. Aber für den Rugbysport in Hamburg stellen sie keine Gefährdung dar, das glaube ich nicht. Dennoch plädiere ich dafür, finanzielle Härten durch den DRV abzufedern.

 

HHRV: Wie schätzt du nach deinen zahlreichen Telefonaten und E-Mails mit Verterter*innen anderer Landesverbände die Stimmung in Rugby-Deutschland bezüglich der Pläne zu Beitraghserhöhungen des Deutschen Rugby-Verbandes ein?

 

Zurawski: Meine Einschätzung ist eher skeptisch bis kritisch. Ich hoffe, der ADRT wird konstruktiv. Denn es gibt auch sehr destruktive Kräfte in den Landesverbänden, solche die ihr eigenen Süppchen kochen, die die Fehden von Jahren weiterführen, die sehr egoistisch, teilweise nur auf ihren Klub oder ihren Verband schauen. Es wird bestimmt ein heißer Tanz in Heusenstamm. Ich hoffe nicht, mit zu viel leerem Gequatsche, sondern mit guten Ideen und konstruktivem Spirit.

 

HHRV: Mit dem dem TOP "Zukunftssicherung des Verbandes durch Erhöhung der Mitgliedsbeiträge" steht lediglich ein inhaltliches Thema auf der Agenda. Was erwartest du dir darüber hinaus von dem ADRT?

 

Zurawski: Ich erwarte Streit und Kontroversen. Das gehört dazu. Wenn die beteiligten dies beherrschen, ist es durchaus fruchtbar. Wir haben halt nur ein Thema, so sind ADRTs oft und so sind sie gedacht. Über das Thema hinaus, darf nichts beschlossen werden. Und momentan gibt es noch unterschiedliche Meinungen darüber, ob der ADRT anfechtbar ist oder nicht, und ob eine Erhöhung rückwirkend für 2020 überhaupt möglich ist. Eine Fortsetzung des ADRT in den Schriftsätzen von Anwälten ist auch denkbar.